Leseranwalt: Warum das Bild einer Strandszene über einem sachlichen Artikel ein redaktioneller Fehlgriff war

2022-08-20 12:40:58 By : Mr. Allen Seng

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Die lang anhaltenden und heftigen Kontroversen um den Sommerhit "Layla" haben wohl die Aufmerksamkeit und die Sensibilität für Sexismus noch verstärkt, selbst dann, wenn der nur indirekt auftritt. Das meint auch der Leser W. E. aus der Rhön, der ein Foto für sexistisch und voyeuristisch hält.

Mit dem Bild, das eine Frau am Strand zeigt, die von zwei Männern beobachtet wird, wurde ein sehr sachlicher Zeitungsartikel mit dem Titel "Im Urlaub lieber weniger Bargeld mitnehmen" auf der Wirtschaftsseite der Main-Post vom 26. Juli 2022 illustriert.

Das Bild habe mit "Bargeld" wenig zu tun, kritisiert W. E. Man sehe vorne rechts und links groß zwei "höchst voyeuristisch blickende Herren (mit schmutziger Fantasie), die sich ein Vergnügen daraus machen, ein vorbeigehendes sexy Girl im Minirock mit ihren Blicken eingehend zu prüfen". Dieser Sexismus sei unterschwellig und viel schlimmer als der in relativ harmlosen Texten primitiver Schlager, urteilt Herr W. E.

Die große Bandbreite der Botschaften, die das Bild vor dem Hintergrund eines wohl südländischen Strandes zulässt, zeigt die nüchterne Interpretation einer Redakteurin: Sie sehe eher zwei Herren, die bei der Kellnerin etwas bestellen.

Dagegen sieht Herr W. E. aber den Text als nüchtern an und hält das Foto für unangebracht. Denn im Artikel gehe es alleine um Zahlungsmittel für den Auslandsurlaub und um die Empfehlungen von Experten, keinesfalls um Aufenthalte am Strand. Das stimmt.

Meine eigene Fantasie zurückstellend und nicht assoziierend, sehe ich eine freundlich lächelnde junge Frau im Minirock im Mittelpunkt der Szene. Sie bringt eine Flasche. Leere Gläser stehen bei den beiden plaudernden Herren bereit, von denen einer lächelt, der andere der jungen Frau zugewandt ist. Von Zahlungsmitteln keine Spur, obwohl auch in der Bildunterzeile davon die Rede ist.

Also doch nur eine Strandszene? Alles normal, was nicht der Fantasie entspringt? Weil genau die aber durch Symbole wissentlich angeregt wird und weil die Aussage des Bildes sich vom Thema entfernt, bleibt die Deutungshoheit ganz den Betrachterinnen und Betrachtern überlassen. Das ist gerade bei diesem Sach-Beitrag wenig journalistisch. So geht es eben um mehr als um eine harmlose Strandszene.

In einer von Männern dominierten Gesellschaft zeige sich Sexismus vor allem in Abwertung und Marginalisierung von Frauen, heißt es bei der Berliner Stiftung für kulturelle Weiterbildung. Als Norm werde Cis-Männlichkeit (Männer, die sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlecht identifizieren) verstanden, an der alles zu messen ist. Im Bild zeigt sich für mich jedenfalls ein Rollen-Stereotyp, das darauf fußt: Frau (be-)dient, Männer genießen.

In den Medien, so eine Pilotstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2018), empfinden 75 Prozent aller Frauen und 61 Prozent aller Männer Sexismus als schlimm. Schlimmer als im eigenen Alltag. Konkret geht es um erotisch-laszive Darstellungen von Personen als Sexobjekte und Luststeigerungsfaktoren in Bildern, Filmen und (Werbe-)Botschaften zum Zweck der Verkaufsförderung. 

Nun füge ich hinzu, dass das gewiss auch für die Förderung von medialer Aufmerksamkeit gilt. "Medien" seien wohl für manche eine Containerkategorie für moralische und stilistische Übertreibungen und Verfehlungen jedweder Art, sagt die Studie. Aber nicht nur deshalb, lehnt die Redaktion der Main-Post Sexismus ab.

Aus alle diesen Gründen und ob der Verantwortung, die sich daraus ergibt, halte ich die besprochene Illustration für einen redaktionellen Fehlgriff. Gut wäre es gewesen, bei der Bildauswahl dem sachlichen Thema gerecht zu werden. Auch wenn der Beitrag mit dem fantasieanregenden Strandbild mit Dame und Herren mehr Aufmerksamkeit bekommt. Doch geht es hier um journalistische Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit. Ob die auch noch durch stereotypischen Sexismus im Foto gefährdet wird, muss jede und jeder auch hier mit sich selbst ausmachen. 

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

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